23
Okt
2006

bedingungslos geld kriegen

seit längerem treibt mich die idee des bedingungslosen grundeinkommens (bge) immer mal wieder um. eine unterhaltung bei happypeppy brachte mich nun dazu, meinen aktuellen gedankenstand mal hier aufzuschreiben. dieser stand ist weder fertig noch übermäßig strukturiert, aber vielleicht ergeben sich aus der diskussion neue ideen für mich und vieleleicht auch den einen oder anderen leser. also probier ich's mal.

vorneweg: ich finde die idee des bge sehr sympathisch, auch wenn sie meiner gegenwärtigen auffassung nach einige haken und ösen hat. der wichtigste punkt liegt für mich dabei darin, dass das bge einen großen beitrag dazu leisten würde, den noch immer vorherrschenden fetisch der erwerbsarbeit zu verringern. die unmittelbar ökonomisch verwertete arbeit ist es, die heutzutage einen menschen zu einem vollwertig akzeptierten mitglied der gesellschaft macht. wer nicht in diesem sinne arbeitet, sieht sich immer wieder mit abwertenden begriffen wie "faulenzer" und "schmarotzer" konfrontiert. meiner auffassung nach steckt dahinter unter anderem ein diskriminierendes erbe aus protestantischem arbeitsethos und sozialistischem "lob der arbeit", das zu einer diskriminierenden unterscheidung in menschen 1. und 2. klasse führt. das bge könnte meiner meinung nach zu einer unterhöhlung dieses erbes und zu einer (dringend notwendigen) neubewertung von arbeit führen.

der idee des bedingunslosen grundeinkommens wird oft vorgeworfen, sie sei weltfremd, denn dann würde doch niemand mehr die notwendige arbeit verrichten wollen. da bin ich mir gar nicht so sicher. eher glaube ich, dass durch das bge eine massive umwertung der heutigen arbeitstätigkeiten einsetzen würde. ich denke, der sogenannte niedriglohnsektor würde den heutigen schrecken der krassen ausbeutung mit prekärsten bedingungen verlieren, da es nicht mehr lebensnotwendig wäre, acht euro und mehr in der stunde zu verdienen, um überhaupt irgendwie über die runden zu kommen. allerdings müssten arbeitgeber vermutlich für vergleichsweise unattraktive tätigkeiten wie müllmann, kanalreiniger oder fließbandarbeiter deutlich tiefer in die tasche greifen als bei vergleichsweise attraktiven tätigkeiten wie model, reporter oder pilot. das neue lohngefüge würde der markt aber sicherlich regeln, zumal dann endlich auch die arbeitnehmerseite über eine verhandlungsposition verfügen würde, bei der auch tatsächlich von verhandlung gesprochen werden kann und nicht, wie heute in vielen fällen von einem diktat der arbeitgeber.

spannend finde ich in diesem zusammenhang die ablehnung des bge von seiten vieler gewerkschafter, hier besonders die vehemente kritik von michael schlecht, chefökonom von ver.di. aus ihrem verbandsinteresse heraus ist diese ablehnung nachvollziehbar, würde durch das bge die verhandlungsposition des einzelnen arbeitnehmers so gestärkt, dass die heutigen gewerkschaften angst vor überflüssigkeit verspüren. das glaube ich zwar nicht, denn die bündelung von einzelinteressen macht auch dann sowohl für arbeitnehmer wie arbeitgeber weiterhin sinn, aber hier zeigt sich meiner meinung nach ein diskursdefizit auf seiten der gewerkschaften. (und das sage ich als aktiver gewerkschafter.)

eine weitere kritik am bedingungslosen grundeinkommen meint, dass dann einfach das kapital und die unternehmen aus deutschland abwandern würden, denn das bge funktioniere nur unter den bedingungen der autarkie, die nunmal nicht möglich sei. letzteres, dass autarkie nicht möglich ist, sehe ich auch so. bei der behauptung der abwanderung von kapital und unternehmen bin ich mir hingegen nicht sicher.
sicherlich setzt das bge ein höheres steueraufkommen voraus, als es heute erhoben wird. dass den großen unternehmen und kapitalgesellschaften das nicht passt, ist klar. die schreien ja bei jeder idee zeter und mordio, wenn diese mal nicht ausschließlich die kleinen leute belastet. nur sollte nicht vergessen werden, dass rund 2/3 der wirtschaftskraft im binnenmarkt geschaffen wird und dieser anteil durch die steigende kaufkraft der bevölkerung gestärkt würde.
weiterhin hätte die abwandernden unternehmen das problem, dass z.b. bei heutigem stand in der eu lediglich estland und die slowakei real geringere unternehmenssteuern aufweisen als deutschland, denn bei uns sind zwar die nominalen sätze hoch, dafür ist die bemessungsgrundlage umso schmaler. schweden und dänemark dürften nach der steuerkritik am bge eigentlich schon lange nicht mehr existieren.
außerdem habe ich, bezogen auf personen, gelesen (kann aber leider keine quelle angeben, hinweise sind erwünscht), dass z.b. us-amerikanische staatsbürger, die im ausland leben, bei einem zielland mit geringeren steuern die differenz der gesparten steuern an den us-amerikanischen fiskus zu entrichten hätten. wenn so etwas möglich ist, warum nicht auch bei uns?

der letzte kritikpunkt am bedingungslosen grundeinkommen, der mir spontan einfällt, ist das problem der inflation. wenn große teile der bevölkerung durch das bge mit mehr geld ausgestattet würden, würde dieses mehr ruckzuck durch steigende preise entwertet und das bge dadurch seine eigene zielsetzung klar verfehlen. dieser punkt hat wirklich was für sich. allerdings würde ich gern wissen, ob man das bge dann nicht einfach dynamisch an die inflationsentwicklung anpassen könnte (oder wie beim britischen mindestlohn durch ein unabhängiges gremium empfehlungen für eine angemessene anpassung entwickeln lassen könnte). inwieweit das praktikabel ist, weiß ich selbst auch nicht, aber wie gesagt, für anregungen bin ich offen.

so, das war mal der aufschlag zu diesem thema. der text ist diesmal ein bisschen länger geworden, aber ich hoffe, er bietet genug anregung zu kritik und weiterführenden ideen. ich danke jetzt schon mal.

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