23
Dez
2005

fühlen sie sich reich im bundestag?

DIE ZEIT sprach mit Elke Reinke, die als Elektro-Ingenieurin in Sachsen-Anhalt 15 Jahre lang arbeitslos war und im September auf der Liste der Linkspartei in den Bundestag gewählt wurde, über Hartz IV und das Gefühl als Arbeitgeber "das deutsche Volk" anzugeben

Als Sie am Tag nach der Bundestagswahl aufwachten und zur Abgeordneten gewählt worden waren, was haben Sie da zuerst gemacht?

Ich bin aufgestanden und wie bisher zu meinem Ein-Euro-Job gegangen. Ich arbeitete als Aufsicht in einer alten Kirche in Aschersleben, habe da Postkarten verkauft und ab und zu jemanden rumgeführt. Aber das amtliche Endergebnis war ja an dem Tag noch nicht da, und ich hatte nichts Schriftliches. Wer weiß - am Ende hatte sich da jemand verrechnet, und ich hätte auch noch diesen Job verloren! Erst drei Wochen später, als ich alles schwarz auf weiß hatte, habe ich dem Arbeitsamt in aller Form mitgeteilt, dass ich eine reguläre Beschäftigung gefunden habe. Als neuen Arbeitgeber "das deutsche Volk" anzugeben, das war schon nett.

Nett war es sicher auch, das neue Gehalt zu bekommen: 7009 Euro brutto statt wie bisher 331 Euro Arbeitslosengeld II plus das bisschen aus dem Ein-Euro-Job?

Das war ein Ding! Ich ging auf die Bank und holte einen Auszug. Der sah ungewohnt aus mit all dem Geld. Ich wollte auch gleich noch eine Kreditkarte machen lassen. In meinem ganzen Leben hatte ich noch keine besessen, und ich dachte, jetzt brauche ich sie vielleicht. Die junge Dame in der Bank hat mein Konto aufgerufen, ihren Bildschirm angeschaut, mich angeschaut, wieder ihren Bildschirm, und dann holte sie ihre Chefin. Die fragte sehr freundlich, ob bei mir jetzt jeden Monat so viel Geld eingehe.

Was haben Sie sich von Ihrem ersten Gehalt gekauft?

Ein Navigationssystem. Ich muss jetzt dauernd in Berlin rumkurven und habe mich ständig verfahren. Außerdem habe ich mir einen Computer gekauft. Als ich arbeitslos war, habe ich zwar mehrere Computerschulungen gemacht, aber einen eigenen Rechner besaß ich nicht. Für den Wahlkampf hatte ich mir von einem Parteifreund einen geliehen. Und ein paar neue Klamotten habe ich mir auch zugelegt, damit ich meine erste Rede im Bundestag nicht in Jeans halten muss: eine schwarze Hose, einen Blazer und ein buntes Oberteil.

Kann man nach 15 Jahren Sparen plötzlich damit aufhören?

Nein, ich greife beim Einkaufen automatisch zum billigsten Produkt. Auch ein Taxi nehme ich fast nie. In Berlin könnte ich den Fahrdienst des Bundestages bestellen, aber das mache ich immer noch ungern. Neulich musste ich mal spätabends mit viel Gepäck quer durch die ganze Stadt. Da ließ ich dann schon ein Auto kommen. Mit dem Fahrer habe ich ein bisschen geplaudert, und er sagte: Nutzen Sie bitte den Fahrdienst. Das sind doch unsere Arbeitsplätze! Menschenskind, dachte ich mir. An was man alles denken muss!

Was ist für Sie an dem neuen Leben als Abgeordnete am schönsten?

Eine Aufgabe zu haben. Das ist ein Gefühl, das mir sehr gefehlt hat. Als ich im Bundestag zum ersten Mal am Rednerpult stand und den Leuten vorgerechnet habe, dass einem Arbeitslosengeld-II-Empfänger für das Frühstück nur 88 Cent zur Verfügung stehen, da dachte ich mir: Es ist wichtig, dass das mal gesagt wird, und zwar von jemandem, der es selbst erlebt hat. Natürlich ist es für mich persönlich auch schön, dass ich nicht mehr rechnen muss. Meine Kinder konnte ich nie finanziell unterstützen. Meine Tochter studiert in Thüringen, und mein Sohn macht dort eine Lehre. Oft konnten die beiden am Wochenende nicht heimkommen, weil das Geld für die Fahrkarte fehlte. Jetzt kann ich es ihnen geben. Außerdem habe ich als Abgeordnete ja eine Netzkarte - auch so ein neues Privileg, erste Klasse sogar. Ich kann also jederzeit zu meinen Kindern fahren - das heißt: Ich könnte, denn jetzt fehlt mir dazu die Zeit.

Die Zeit, 21.12.2005

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